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Ach könnt ich noch einmal an der Haut der Erde zupfen...

Für die Grösse und den Mut der Menschen

Ach könnt ich noch einmal an der Haut der Erde zupfen...


Berichte aus dem Christopurushospiz Berlin



Für den Mut und die Grösse der Menschen



Von 2008 bis 2012 habe ich als Krankenschwester im Berliner Christophorushospiz gearbeitet. Von einigen der Menschen, die mir dort begegnet sind, handeln diese Geschichten.

Körper, so zerstört, dass man kaum glauben kann, dass sie noch fähig sind zu leben, Haut und Knochen, riesige tiefe offene Wunden, Gerüche, bei denen sich der Mageninhalt mit jedem Atemzug hebt und wieder senkt. Immer wieder, wenn ich diese Körper berühre, werde ich durchflutet von Liebe, von Zärtlichkeit, von Mitgefühl und, bei allem Schmerz und jenseits des Verstandes, dem Wissen, dass es alles gut ist, wie es ist.


In jedem Zimmer lebt ein ganzes Universum und wir dürfen teilhaben am vielleicht intimsten und persönlichsten Prozess, den es im menschlichen Leben gibt, ein Prozess, der ebenso hart und schmerzhaft und unendlich einsam sein kann, und der zugleich über alle Massen kostbar und heilig ist. Im grössten Schmerz gibt es Glückseligkeit. Es ist oft so erstaunlich, was dabei ans Licht kommt. Unsere Patienten sind wunderbare Lehrer - ehrlich, direkt, sie haben keine Zeit mehr für Höflichkeiten oder Ausflüchte, führen uns untrüglich über alle unsere Grenzen und Sicherheiten hinaus. Sie lehren uns, unser Herz zu öffnen, für alles menschenmögliche, sie brechen uns das Herz, Tag für Tag.


Ich danke ihnen allen. Die Arbeit ist manchmal schwer, manchmal wunderschön, und immer wieder konfrontiert sie uns mit uns selbst. Es ist so viel wichtiger, WIE wir sind, wie präsent wir sind, als das, WAS wir sagen oder tun. Tagtäglich sind wir mit  Situationen konfrontiert, in denen wir alle Vorstellungen und Konzepte loslassen müssen, in denen wir nicht wissen.


Der Tod, das Wissen um die Sterblichkeit des Körpers, lehrt mich die Kostbarkeit des Lebens, lehrt mich, dass so ziemlich alles, was ich selbstverständlich glaubte, nicht wahr ist. Er lehrt mich Staunen und Demut vor dem Mysterium des Lebens und des Menschseins. Er lehrt mich, dass jeder von uns einzigartig ist, und dass wir doch alle eines sind. Er lehrt mich, dass das Leben nicht sterben kann, und dass wir selbst das Leben sind. Er lehrt mich, dass wir Brüder und Schwestern sind - wie gut es uns tut und wie sehr wir es alle brauchen, einander in Achtsamkeit und mit Wahrhaftigkeit zu begegnen, einander unsere Herzen zu öffnen.





Padma 2012 







Die Texte können gegen eine Gebühr von 15 EUR bei mir als PDF angefordert werden








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